Tagung des Österreichischen Forstvereins um ein konfliktreiches Thema
Das wichtigste Anliegen des Österreichischen Forstvereins ist die Erhaltung, Verbesserung und Pflege des Waldes durch nachhaltige Bewirtschaftung. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Vermittlung von Wissen, Weiterbildung und die Information der Öffentlichkeit über den Wald. Der Österreichische Forstverein ist der Dachverband für die Landesforstvereine, denen insgesamt rund 4.400 Mitglieder angehören. Im Sinne seiner Zielsetzungen versteht sich der Österreichische Forstverein auch als Natur- und Umweltschutzorganisation. Die zunehmend konfliktreiche Beziehung zwischen Waldbewirtschaftung und Naturschutz war Thema der diesjährigen Österreichischen Forsttagung, welche am 11. und 12. Juni 2015 in St. Johann im Pongau abgehalten wurde.
Bekenntnis zu integrativer Sicht bei Waldbewirtschaftung und Naturschutz
Eröffnet wurde die Forsttagung durch den Präsidenten des Österreichischen Forstvereins, FM DI Mag. Johannes Wohlmacher. Als Leiter des Forstbetriebs in Aigen-Schlägl/OÖ berichtete er von seinen Erfahrungen im Naturschutzbereich. Besonders einschneidend entwickelte sich eine verheerende Borkenkäfervermehrung im Gefolge von Sturm „Kyrill“. Dies war nur deshalb möglich, da im tschechisch angrenzenden Nationalpark „Sumava“ das Schadholz nicht aufgearbeitet wurde. 1.200 ha Wald wurden innerhalb von 2 Jahren vernichtet, allein im Aigen-Schlägl rund 100 ha. Diese Katastrophe wäre durch das Vorhandensein eines Pufferbereichs zum Nationalpark zu verhindern gewesen.
Der bewirtschaftete Wald ist der gute Wald
In seiner Begrüßungsrede hob der Präsident der Landwirtschaftskammer Salzburg, Abg. z. NR Ök.-Rat Franz Eßl, den Wald hervor als wesentlich für die Wirtschaftskraft und als Arbeitsplatz, jedoch auch für seine ökologischen Leistungen. Für eine nachhaltige Wirtschaftsweise ist die Ausbildung von besonderer Bedeutung, der Forst ist hier sehr gut aufgestellt. Insgesamt befindet sich der Wald bei uns in einem sehr guten ökologischen Zustand. Es stellt sich daher die Frage, ob ein übertriebenes Schutzverlangen den Waldbesitzern zuzumuten ist.
Herausforderungen im Wald aus Sicht des Naturschutzes
Der Präsident des Umweltdachverbandes, Mag. Franz Maier, widmete einen Schwerpunkt seines Vortrags dem Thema Natura 2000. Die Abgrenzung der Gebiete hätte bereits 1998 abgeschlossen sein sollen, und zwar nicht freiwillig, sondern gesetzlich verankert. Da Österreich säumig ist, wurde seitens der Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Strategie, sich jedes Natura 2000-Gebiet abringen zu lassen, war somit nach Meinung von Mag. Maier falsch. Die gemeinsamen Ziele von Waldbewirtschaftung und Naturschutz dürfen jedoch nicht außer Acht gelassen werden, wie z. B. das Bekenntnis zum Rohstoff Holz beim Thema Energiewende. Es ist daher nicht notwendig, in der Öffentlichkeit als Gegner aufzutreten.
Forstwirtschaft im Spannungsfeld des Naturschutzrechts
Univ.-Prof. Dr. Gottfried Holzer von der Universität für Bodenkultur Wien, beleuchtet das Thema von der rechtlichen Seite her. Beginnend von der ersten Verwendung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ bei Hans Carl von Carlowitz im Jahr 1713 über das Reichsforstgesetz bis zum heutigen Forstgesetz. Das Forstrecht ist daher das älteste naturschutzrechtliche Gesetz, und Forstangelegenheiten sind Bundessache. Da sich der Naturschutz in Zuständigkeit der Länder befindet, fehlt eine gemeinsame Kompetenzgrundlage, die Umsetzung der Natura 2000-Richtlinien ist somit erschwert. Naturschutzrechtliche Beschränkungen der Forstwirtschaft sind traditionell gegeben bei Schlucht-, Moor-, Auwäldern sowie Nationalpark-Kernzonen. Natura 2000 schafft hier eine völlig neue Dimension. Die Probleme bestehen in unklaren gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen, der bundesländerweise unterschiedlichen Umsetzung und der unzureichenden Einbindung der Grundeigentümer. 2014 waren in Österreich 219 Natura 2000-Gebiete ausgewiesen mit einer Gesamtfläche von rund 1,25 Mill. ha. Da dies noch nicht 20 % der österreichischen Staatsfläche entspricht und daher nicht ausreichend ist, verlangt die Europäische Kommission eine Nachnominierung von 180 Gebieten. Augenblicklich sind z. B. 27 % der burgenländischen Landesfläche Natura 2000-Gebiet, in Oberösterreich sind es nur 6 %. Dr. Holzer fordert mehr Klarheit, Rechtssicherheit, Transparenz und Information. Naturschutz ist zu bejahen, aber daraus darf dem Grundeigentümer kein Sonderopfer erwachsen.
Biodiversität im Spannungsfeld der gesellschaftlichen Bedürfnisse und des Klimawandels
Univ.-Prof. DDr. Thomas Geburek vom Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald erläuterte die Messung von Biodiversität mittels Biodiversttätsindex. Basierend auf der Österreichischen Waldinventur ergibt sich, dass die Biodiversität im Wald sehr hoch ist mit einer insgesamt weiterhin positiven Entwicklung. Zunehmend ist jedoch ein Konflikt zwischen hoher Biodiversität und vermehrter Biomassenutzung erkennbar: so führt eine Steigerung des Holzaufkommens zu niedrigerer Biodiversität. Es ist jedoch zu erwarten, dass Klimaänderungen zu einem verringerten Holzaufkommen führen werden.
Naturwaldreservateprogramm in Österreich – Resümee nach 20 Jahren
Der Leiter des Fachausschusses „Waldbau und Naturschutz“ des Österreichischen Forstvereins stellte das Programm und seine Grundsätze vor. Ein österreichweites Netz an Naturwaldreservaten wurde eingerichtet zum Zweck der Erhaltung der biologischen Vielfalt, für Forschung und Lehre, als Bildungsauftrag und auch zur Schaffung von Anschauungsobjekten. Im Gegensatz zu Natura 2000 beruhen die Grundsätze auf Freiwilligkeit und Vertragsnaturschutz. Die Laufzeit beträgt 20 Jahre, ein Ausstieg ist möglich. Für den Grundeigentümer gibt es ein jährliches Entgelt, Rechtssicherheit ist gegeben. In Österreich existieren 195 Naturwaldreservate mit einer Gesamtfläche von 8.403 ha. Die Schaffung eines Naturwaldreservats ist einfach möglich, die Erhaltung aber relativ schwierig. Es gilt, die Finanzierung langfristig sicher zu stellen, außerdem soll ein kontinuierlicher Ausbau des bundesweiten Netzes erfolgen.
Naturschutz im Wald – Möglichkeiten und Herausforderungen für den Waldbesitzer
Zu diesem Thema sind 2 Referenten am Wort:
Prof. DI Hermann Hinterstoisser, Land Salzburg, stellte Wald als ein komplexes Ökosystem dar, welches nicht nur Bäume und vom Menschen nutzbare Organismen beherbergt. Unsere Erde ist zu 26,2 % bewaldet, der EU-Durchschnitt beläuft sich auf 41,2 %, überdurchschnittlich ist Österreich mit 47,6 %, und Salzburg ist sogar zu 52,4 % mit Wald bedeckt. Problematisch ist, dass sich nur auf rund einem Drittel der Waldflächen ausreichend Zielbaumarten befinden, außerdem sind Waldränder selten artenreich. Fast zwei Drittel der Waldflächen weisen keine oder nur eine geringe Totholzausstattung auf, gerade diese ist jedoch Grundlage für eine große Organismenvielfalt. 19 % des Salzburger Waldes befindet sich in Schutzgebieten (alle Kategorien), davon 6 % in Natura 2000-Gebieten, 0,13 % in Naturwaldreservaten. Als Resümee betont DI Hinterstoisser, dass der Mensch den Wald braucht, der Wald braucht aber biologische Vielfalt. Nutzung und Erhaltung müssen immer ganzheitlich betrachtet werden.
FD DI Franz Lanschützer, Landwirtschaftskammer Salzburg, zeigte einleitend die Entwicklung im Naturschutz seit dem Jahr 1970. Die Schutzgüter sind mittlerweile eingeteilt in 10 unterschiedliche Kategorien (Landschafts-, Naturschutzgebiete, Nationalparke, Europaschutzgebiete, …). Das Ziel in diesen Schutzgütern ist die Erhaltung der Landschaftsästhetik, bestimmter Tier- und Pflanzenarten, der ökologischen Funktionen und der Erholungswirkung. Als Konsequenz daraus sind – mit bestimmten Ausnahmen – alle Eingriffe in die Natur untersagt. Verboten sind insbesondere die Beunruhigung des Wildes und Störung der Kleintierwelt sowie die Erregung von Lärm, der Betrieb von Radios, Tonbandgeräten, das Treiben von Unfug d. dgl. Die Auswirkungen in der Praxis zeigen sich vielfach zu Lasten der bewirtschaftenden Grundeigentümer. Während es z. B. in Naturschutzgebieten untersagt wird, Geröll aus Hochwasserereignissen zu entfernen, ist mit der Freizeitnutzung im selben Gebiet praktisch überhaupt keine Einschränkung verbunden. Ein zweites Beispiel legt dar, dass die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes in der Stadt Salzburg ursprünglich keine Einschränkung der Nutzung vorsah und es deshalb keine Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile gab. Tatsächlich sind nun aber Holznutzungen – auch in Form von Einzelstammentnahmen – untersagt. Ein weiteres Problem zeigt sich mit der zunehmenden Naturnähe in Salzburgs Wäldern: es zeigt sich nämlich, dass Wirtschaftswälder, in denen der Nadelholzanteil ab- und der Mischwald zunimmt, Totholz mehr wird und Naturverjüngung ausgebaut wird, im Zuge der Kartierung plötzlich als Biotop ausgewiesen werden, wo davor keines bestanden hat. Es stellt sich daher die Frage, wie die forstfachliche Beratung in Zukunft damit umgehen soll. Also Folge daraus wird jedenfalls eine Diskussion auf Augenhöhe erwartet. Eine partnerschaftliche Einbindung der Grundeigentümer ist vonnöten. Vertrag soll Vorrang haben vor Hoheit. Weiters ist eine Lenkung der Freizeitnutzung in Zukunft unabdingbar. Nicht zuletzt ist der Schutz des Eigentums und der Schutz bäuerlicher Strukturen zu gewährleisten.
Fazit
Waldbewirtschaftung kontra Naturschutz ist zweifellos ein herausforderndes Thema. Die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes und der Schutz der Natur sind kein Gegensatz und werden gesellschaftlich auch gefordert. Die Maßnahmen jedoch, mit denen Waldbewirtschaftung und Naturschutz unter einen Hut gebracht werden sollen, entzweien die Beteiligten doch recht massiv.
Autor: DI Gottfried Schatteiner