Biodiversität und Waldbewirtschaftung: Müssen wir alle Dinge, die uns gefallen, schützen?
Mit dieser provokanten Frage startete der Fachvortrag von Prof. Dr. Ernst Detlef Schulze vom Max-Planck-Institut für Biochemie, Jena, beim Waldbauerntag in Salzburg am 14. Februar 2020. Prof. Schulze legte seine Sicht zu Biodiversität und Waldbewirtschaftung in Deutschland dar. Beispielhaft wurde die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ aus dem Jahr 2008 genannt. Als Ziel sei in dieser das Aufhalten des Rückganges der Biodiversität formuliert. Dieses Ziel basiere auf einer Reihe von Annahmen, und eine davon sei: Bewirtschaftung ist schlecht. Dies führe zu einer Reihe von Maßnahmen wie Flächenstilllegungen und Wildnisflächen im Wald. Diese Außernutzungsstellungen in Europa seien jedoch nachfolgend wesentlich mitverantwortlich für die gigantischen Umwandlungen von Naturwäldern in den Tropen (z.B. Eucalyptus-Kurzumtriebsplantagen in Brasilien, Ölpalmen in Sumatra). Denn Holz wird benötigt, und wenn es nicht aus heimischen Wäldern stammt, so kommt es aus den Regenwäldern oder anderen bisher unberührten Gebieten.
Prof. Schulze erläuterte weiters die Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein und Holzverwendung. Scheinbar umweltbewusste Mitbürger haben aber Holzmöbel, kaufen Viscose-Outdoorkleidung, lesen Zeitung und nutzen Toilettenpapier. Fazit: ohne Holz kein Komfort und entweder kommt das Holz auch heimischen Wäldern oder es wird importiert. In einem Rechenbeispiel legte Prof. Schulze eindrucksvoll dar, dass Flächenstilllegungen in Deutschland durch Nutzungen in anderen Weltgegenden ausgeglichen werden müssen. Etwa in Sibirien, wo aufgrund des viel geringeren Zuwachses eine vielfache Waldfläche für dieselbe Menge Holz zu verwenden ist. In der Gesellschaft stehe heute, herbeigeführt durch eine Begriffsänderung im Naturschutz, der Forst für den bewirtschafteten Wald, der Wald hingegen für eine Nicht-Bewirtschaftung (Wildnis, Urwald). Prof. Schulze betonte, dass einerseits im Wald keine Pflanzenarten ausgestorben seien, und ihm andererseits keine Art bekannt sei, die nur in Schutzgebieten vorkomme. Somit müsse festgestellt werden, dass der Artenrückgang ein Problem des Offenlandes ist und nicht des Waldes, auch nicht des bewirtschafteten Waldes.
Nur ein bewirtschafteter Wald ist ein guter Wald
Prof. Schulze stellte abschließend die Frage, wie sich ein bewirtschafteter und ein nicht-bewirtschafteter Wald unterscheiden? Als Antwort konnten die staunenden Zuhörer vernehmen, dass beim bewirtschafteten Wald die CO2-Billanz besser, der Vorratszuwachs größer und der Artenreichtum langfristig höher ist. Prof. Schulze brach hierbei auch eine Lanze für das Nadelholz, weil ca. 90% der Totholzkäfer auf Hainbuche und Fichte vorkommen, jedoch nur 5% auf Eiche und gar nur 1% auf Rotbuche. 617 Pilzarten seien auf Bäumen nachgewiesen, 63 davon auf Buche, 369 hingegen auf Nadelgehölzen. Für alle Organismen habe die Bewirtschaftung einen positiven Effekt. Das Fazit daher: der Biodiversitätsrückgang hat nicht im Wald stattgefunden. Die nachhaltige Forstwirtschaft hat somit aus naturschutzfachlicher Sicht ihre Aufgabe erfüllt, eine Flächenstilllegung führt eher zu einem Artenrückgang als eine sorgsame, nachhaltige Nutzung.